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Nachsicht von Abgaben

Nachsicht von Abgaben

  • 236 BAO sieht vor, dass fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabenpflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre. Laut der hiezu ergangenen Verordnung kann die Unbilligkeit persönlicher oder sachlicher Natur sein. Die persönliche Unbilligkeit ist dann gegeben, wenn die Einhebung die Existenz des Abgabepflichtigen oder seiner ihm gegenüber unterhaltsberechtigten Angehörigen gefährden würde oder mit außergewöhnlichen wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden wäre; die Verordnung zählt hier beispielsweise Verschleuderung von Vermögen auf.

Die sachliche Unbilligkeit ist gegeben, wenn der geltend gemachte Abgabenanspruch von Rechtsauslegungen der Höchstgerichte abweicht oder in Widerspruch zu nicht offensichtlich unwichtigen Rechtsauslegungen steht, die dem Abgabepflichtigen von der zuständigen Abgabenbehörde mitgeteilt wurden oder als amtliche Veröffentlichung in der Finanzdatenbank veröffentlicht wurden.

In beiden Fällen ist zusätzliche Bedingung, dass im Vertrauen auf die betreffende Äußerung bzw. Veröffentlichung für die Verwirklichung des die Abgabepflicht auslösenden Sachverhaltes bedeutsame Maßnahmen gesetzt wurden. Was konkret unter diesen bedeutsamen Maßnahmen verstanden wird, ist in der Verordnung nicht näher erläutert.

Wird dem Antrag stattgegeben, erlischt der entsprechende Abgabenanspruch. Falls sich die tatsächlichen Verhältnisse für die Nachsicht maßgeblich geändert haben oder die Nachsicht aufgrund unrichtiger oder irreführender Angaben zu Unrecht erfolgte, kann der Nachsichtsbescheid gemäß § 294 BAO widerrufen werden.

Die Nachsicht von Abgaben betrifft nicht nur die Ertragssteuern, sondern alle Abgaben mit Ausnahme der Zölle, deren Nachsicht über Brüssel beantragt werden muss. Die Einfuhrumsatzsteuer wird zwar von zollrechtlichen Bemessungsgrundlagen ermittelt, ist aber im Umsatzsteuergesetz geregelt, weshalb für die EUST – trotz „Eingangsabgabencharakters“ – eine Nachsicht im Sinne des § 236 BAO grundsätzlich in Frage kommt. Die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung setzt ein wirtschaftliches Missverhältnis zwischen der Einhebung und den im subjektiven Bereich des Abgabepflichtigen entstehenden Nachteilen voraus. Bei der Frage, ob die Einhebung der Abgabe unbillig ist oder nicht muss die Abgabenbehörde alle Umstände, die bis zum Zeitpunkt der Erlassung der Entscheidung bekannt geworden sind, berücksichtigen (siehe VwGH 24.09.1986, 84/13/0151). Eine Nachsicht kann auch für bereits entrichtete Abgaben beantragt werden.

Im Falle eines Nachsichtsansuchens hat die Abgabenbehörde zuerst zu prüfen, ob ein Sachverhalt vorliegt, der dem unbestimmten Gesetzesbegriff „Einhebung nach der Lage des Falles unbillig“ entspricht (vgl. Reeger – Stoll, Kommentar zur BAO). Ist dies zu verneinen, bleibt für der Behörde eingeräumte Ermessensentscheidung kein Raum mehr.

Auch selbst zu berechnende Abgaben (Lohnsteuer, DB, Umsatzsteuer etc.) sind grundsätzlich nachsichtsfähig. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH vom 14.02.1984, ZL 83/14/198) ist auch eine Nachsicht wegen unverschuldeter Unterlassung der rechtzeitigen Eintragung von Freibeträgen und Absetzbeträgen (damals noch auf der Lohnsteuerkarte) denkbar.

Der wesentliche Anwendungsfall der persönlichen Unbilligkeit ist gegeben, wenn die Einhebung die Existenz des Unternehmens gefährdet (siehe VwGH vom 13.10.1983, ZL 82/15/91). Im Nachsichtsverfahren trifft die Beweislast den Antragsteller; dieser muss einwandfrei und überzeugend jene Umstände darstellen, auf welche sich das Nachsichtsbegehren stützt. Da es sich um eine Ermessensentscheidung der Abgabenbehörde handelt, neigt die Abgabenbehörde bei der Interessenabwägung zu einer Abweisung zu Ungunsten des Abgabenpflichtigen. Wesentlich ist, dass die Unbilligkeit nicht im Abgabenbescheid selbst liegt, sondern in der Einhebung der Abgabe. Ein in der Festsetzung der Abgabe gelegene Unbilligkeit ist nicht durch Nachsicht heilbar (siehe VwGH vom 12.01.1983, ZL 82/14/238, VWGH vom 04.06.2022, Ra 2019/15/0117-6).

Eine sachliche Unbilligkeit liegt nach der VwGH-Rechtsprechung vor, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als aus persönlichen Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt, sodass es zu einer anormalen Belastungswirkung und verglichen mit anderen Fällen zu einem atypischen Vermögenseingriff kommt.

Im Finanzstrafrecht kann eine ähnliche Bestimmung wie es in der BAO für Abgaben vorgesehen ist, zur Anwendung kommen. § 187 Finanzstrafgesetz regelt das sogenannte „Gnadenrecht“. Dementsprechend kann bei Vorliegen berücksichtigungswürdiger Umstände das Bundesministerium für Finanzen über Ansuchen des Bestraften durch die Finanzstrafbehörden verhängte Strafen ganz oder teilweise nachsehen oder Freiheitsstrafen in Geldstrafen umwandeln. Unter denselben Voraussetzungen können auch verfallene Gegenstände und Beförderungsmittel dem früheren Eigentümer ohne Entgelt oder gegen Leistung eines Geldbetrages freigegeben werden.

Dr. Hartwig Reinold, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater

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Obige Mitteilung dient nur einer ersten indikativen Information. Nur ein gesondertes, schriftlich abzuschließendes Beratungsmandat kann Grundlage für eine Vertrags- oder Rechtsbeziehung sein. Folglich können aus obiger Mitteilung keine wie immer gearteten Ansprüche gegenüber dem Inhaber der Website oder der mitteilenden Kanzlei abgeleitet werden.

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