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8. Dezember 2022

Verjährung im Abgaben- und Finanzstrafrecht

Verjährung bedeutet den Verlust des Rechts auf Geltendmachung eines Anspruchs durch Zeitablauf. Der Zweck der Verjährung besteht darin, dass

  • die allgemeine Rechtsicherheit gefördert werden soll
  • allzu großer Beweisschwierigkeiten vermieden werden sollen
  • ein erzieherisches Druckmittel zur Vermeidung von Nachlässigkeit in der Rechtsausübung (siehe OGH vom 05.09.1989, 5 Ob606/89, EBL 1990/14) vorhanden ist.
  1. Verjährungsbestimmungen gem. BAO (Bundesabgabenordnung)

Im Steuerrecht wird zwischen der Festsetzungsverjährung und der Einhebungsverjährung unterschieden.

  1. Einhebungsverjährung (§ 238 BAO)

Mit der Einhebungsverjährung verjährt das Recht, eine bereits festgesetzte Abgabe einzufordern. Die Einhebungsverjährung beginnt mit Ablauf jenes Jahres, in dem die Abgabe fällig geworden ist und beträgt 5 Jahre. Ist daher die Finanzbehörde mit der Einhebung säumig, verjährt die Abgabe nach Ablauf der Verjährungsfrist und darf nicht mehr eingetrieben werden. In der Praxis tritt diese Verjährung kaum ein, weil jede nach außen erkennbare Amtshandlung zu einer Unterbrechung der Verjährung und zu einem Neustart der 5-jährigen Verjährungsfrist führt. Beispielsweise sind Mahnungen, Vollstreckungsmaßnahmen, Bewilligungen einer Ratenvereinbarung etc. Unterbrechungshandlungen. Für die Einhebungsverjährung gibt es keine absolute Verjährungsfrist. Überdies kann die Einhebungsverjährung nie kürzer sein als die Festsetzungsverjährung. Zu beachten ist, dass der Haftungsbescheid (siehe § 224 und 245 ff BAO) mit welchem beispielsweise eine Abgabenschuld einer GmbH beim Geschäftsführer einbringlich gemacht werden soll, eine Einhebungsmaßnahme darstellt und folglich nur zulässig ist, wenn die Einhebungsverjährung gegenüber dem Hauptschuldner (diesfall der GmbH) noch nicht eingetreten ist.

  1. Festsetzungsverjährung (§ 207 ff BAO)

Die Festsetzungsverjährung wird auch mitunter Bemessungsverjährung genannt. Dies bedeutet, dass die Abgabenbehörde das Recht auf Festsetzung einer Abgabe verliert, wenn durch Zeitablauf die gesetzlich normierte Verjährungsfrist abgelaufen ist. Außerhalb der Verjährungsfrist darf keine Abgabe mehr bescheidmäßig festgesetzt werden; das Rechtsinstitut der Verjährung ist auch von der Behörde von Amtswegen wahrzunehmen und zu berücksichtigen.

Die Verjährungsfrist beträgt grundsätzlich 5 Jahre und beginnt in der Regel mit Ablauf jenes Jahres, in dem ein Abgabenanspruch entstanden ist. Für Verbrauchsteuern und bestimmte Rechtsgebühren gibt es eine kürzere Verjährungsfrist von 3 Jahren. Bei hinterzogenen Abgaben (Achtung: diese Verjährungsfrist setzt kein finanzstrafrechtliches Verfahren voraus!) beträgt die Verjährung 10 Jahre. Zu beachten ist, dass die längere Verjährungsfrist für hinterzogene Abgaben nur jene Abgaben betrifft, welche als hinterzogen qualifiziert werden. Für nicht hinterzogene Abgaben ist die übliche Verjährungsfrist maßgeblich (hiebei spricht man von einer sogenannten „Teilrechtskraft“).

Die übliche 5-jährige Verjährungsfrist kann allerdings bei Vorliegen bestimmter Umstände verlängert werden. Durch jede nach außen erkennbare und zur Geltendmachung des Anspruches unternommene Amtshandlung verlängert sich die Festsetzungsverjährung um maximal 1 Jahr, wenn innerhalb der Verjährungsfrist eine oder mehrere Amtshandlungen stattfinden. Werden solche Amtshandlungen in einem „Verlängerungsjahr“ vorgenommen, so verlängert sich die Verjährungsfrist um jeweils ein weiteres Jahr bis maximal zur absoluten Verjährungsfrist. Bei vorläufigen Bescheiden beginnt die Verjährung mit Ablauf des Kalenderjahres in dem die Ungewissheit beseitigt wurde. (siehe § 208 Abs. 1 lit d BAO).

  1. Absolute Verjährung (§ 209 BAO)

Die absolute Verjährung beträgt 10 Jahre. Sind nach Entstehung des Abgabenanspruches 10 Jahre verstrichen, ist absolute Verjährung eingetreten und keine Bescheidausfertigung mehr möglich. Zu beachten ist allerdings, dass im Falle eines Beschwerdeverfahrens, welches vor Eintritt der absoluten Verjährung anhängig geworden ist, die absolute Verjährung einem neuerlichen Sachbescheid nicht entgegensteht. Weiters wird die absolute Verjährungsfrist auf 15 Jahre verlängert, wenn Bescheide vorläufig (im Sinne des § 200 BAO) erlassen wurden. Die absoluten Verjährungsfristen sind weder verlängerbar noch hemmbar.

  1. Hemmung der Verjährungsfrist

Eine Hemmung der Verjährungsfrist tritt beispielsweise ein, wenn die Geltendmachung des Anspruches innerhalb der letzten 6 Monate der Verjährungsfrist wegen höherer Gewalt nicht möglich ist. (beispielsweise Unzustellbarkeit des Bescheides, weil der Abgabenpflichtige nicht geschäftsfähig ist, etc.)

  1. Verlängerung der Verjährungsfrist

Wie bereits oben ausgeführt, kann die übliche Verjährungsfrist durch jede nach außen erkennbare und zur Geltendmachung des Anspruches unternommene Amtshandlung verlängert werden. Diese Amtshandlung muss aber in einem Kausalzusammenhang mit dem Abgabenanspruch stehen. Amtshandlungen sind beispielsweise: Bescheide, Übermittlung einer Steuererklärung, Fragenvorhalt, Aufforderung zur Vorlage von Dokumenten, Unterlagen etc., Amtshilfeersuchen, Außenprüfung, mündliche Beschwerdeverhandlung, Vorladung etc.

Gemäß VwGH-Judikatur ist die bloß mündliche Ankündigung einer Betriebsprüfung nicht ausreichend. Bei zu veranlagenden Steuern beginnt die Verjährungsfrist mit Ablauf des entsprechenden Jahres. (Beispiel: Einkommensteuer 2022; Verjährungsbeginn 01.01.2023).

Die Beachtung der Verjährung ist vor allem für die Einleitung von Außenprüfungen wesentlich; für eine Außenprüfung (Betriebsprüfung) muss ein Wiederaufnahmegrund vorliegen. Zu beachten ist außerdem, dass jegliche Amtshandlung zur Geltendmachung des Abgabenanspruches zu einer Verlängerung der Verjährungsfrist um 1 Jahr führt. Als Geltendmachung des Abgabenanspruches gilt auch eine Bescheidausfertigung, sodass laut dem obigen Beispiel die Verjährungsfrist betreffend Einkommensteuer 2022 zwar mit 01.01.2023 beginnt aber bei Ergehen des Einkommensteuerbescheides im Jahr 2023 die Verjährung frühestens Ende 2028 (5 und 1 Jahr) endet.

Der Beginn der Verjährungsfrist ist auch in den Fällen des Eintritts eines rückwirkenden Ereignisses im Sinne des § 295 a BAO aufgeschoben. Gem. § 208 Abs. 1 lit e BAO beginnt in diesen Fällen die Verjährungsfrist mit Ablauf des Jahres, in dem das Ereignis eingetreten ist. (Anmerkung: Dies muss allerdings innerhalb der absoluten Verjährungsfrist liegen, weil die absolute Verjährungsfrist stärker wirkt)

Klarstellend sei darauf hingewiesen, dass die längere Verjährungsfrist für hinterzogene Abgaben (10 Jahre gem. § 207 Abs. 2 BAO) kein formelles Finanzstrafverfahren voraussetzt. Die längere Verjährungsfrist für hinterzogene Abgaben hat das Finanzamt im eigenen Wirkungsbereich zu beurteilen, wobei bezüglich des Vorsatzes bzw. der groben Fahrlässigkeit auf die Rechtsprechung zum Finanzstrafgesetz analog zurückzugreifen ist. Wird ein Finanzstrafverfahren eingeleitet, gelten für den finanzstrafrechtlichen Bereich eigene Verjährungsbestimmungen (siehe nächster Punkt).

  1. Verjährungsbestimmungen gem. Finanzstrafgesetz

  1. Verjährung der Vollstreckbarkeit (§ 32 Finanzstrafgesetz)

Bei Finanzvergehen beträgt die Frist für die Vollstreckungsverjährung 5 Jahre und beginnt mit der Rechtskraft der Entscheidung zu laufen, in welcher auf die zu vollstreckende Strafe erkannt worden ist. Nicht eingerechnet werden Aufenthaltszeiten im Ausland etc.

  1. Verfolgungsverjährung (§ 31 Finanzstrafgesetz)

Bei Finanzordnungswidrigkeiten im Sinne des § 49 und § 49 a Finanzstrafgesetz beträgt die Verjährungsfrist 3 Jahre. Bei anderen Finanzordnungswidrigkeiten (siehe § 50 Finanzstrafgesetz) 1 Jahr. Bei den sonstigen Finanzvergehen 5 Jahre.

Sobald das mit Strafe bedrohte Verhalten vom Täter beendet wird, beginnt die Verjährungsfrist zu laufen; allerdings nie früher als die Verjährungsfrist für die Festsetzung der Abgabe, auf die sich die Straftat bezieht. Beim Beginn der Verjährungsfrist ist insbesondere § 208 BAO (siehe oben) zu beachten. Das klassische Beispiel ist die Nichteinreichung einer Steuererklärung; hier beginnt die Verjährungsfrist frühestens mit Ablauf jenes Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist zu laufen (§ 208 Abs. 1 BAO). Nach der Praxis wird üblicherweise der von der Finanzverwaltung eingeräumte Abgabetermin für die Steuererklärungen als Beginn der finanzstrafrechtlichen Verjährungsfrist herangezogen.

Falls der Täter während der Verjährungsfrist neuerlich ein vorsätzliches Finanzvergehen gesetzt hat, verlängert sich die Verjährungsfrist so lange, bis auch für diese Tat die Verjährungsfrist abgelaufen ist. In die Verjährungsfristen werden Zeiten nicht eingerechnet, während der wegen dieser Tat gegen den Täter ein Strafverfahren bei Gericht oder bei einer Finanzstrafbehörde anhängig ist; ebenso bei anhängigen Verfahren beim Verfassungsgerichtshof oder Verwaltungsgerichtshof. Betreffend der Verfahren vor den Höchstgerichten ist es unerheblich, ob es sich auf das Finanzstrafverfahren oder auf das zugrunde liegende Abgaben- oder Monopolverfahren bezieht.

  1. Absolute Verjährung (§ 31 Abs. 5 Finanzstrafgesetz)

Die absolute Verjährungsfrist von 10 Jahren gilt nur bei verwaltungsbehördlich strafbaren Finanzdelikten. Vom Gericht zu ahndende finanzstrafrechtliche Tatbestände unterliegen keiner absoluten Verjährung.

Selbst im verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren wird die absolute Verjährungsfrist bei anhängigen Verfahren vor dem Verfassungs- oder Verwaltungsgerichtshof (betreffend des Finanzstrafverfahrens bzw. der damit im Zusammenhang stehenden Abgaben- oder Monopolverfahren) verlängert.

Bei vorsätzlicher Unterlassung der Anzeige einer Schenkung im Sinne des § 121a BAO („Schenkungsmeldegesetz“) erlischt die Strafbarkeit gem. § 49 a Finanzstrafgesetz, wenn ab dem Ende der Anzeigefrist (3-Monatsfrist gem. § 121 a Abs. 4 BAO) die absolute Verjährung von 10 Jahren eingetreten ist.

Der Umstand der Verjährung ist von Amtswegen wahrzunehmen. Bei lange zurückliegenden Sachverhalten bzw. langer Verfahrensdauer ist es dennoch für den Berater wesentlich auch die Verjährungsfrage zu prüfen.

Weiters setzt nach Auffassung des OGH (OGH 13.11.2019, 13 US 72/19 s) die Fortlaufhemmung der Verjährung im gerichtlichen Finanzstrafverfahren nicht mit dem Beginn des Strafverfahrens ein, sondern erst ab dem Zeitpunkt, ab welchem das Verfahren von der Staatsanwaltschaft oder vom Gericht geführt wird.


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